Andreas Dress - aus dem Künstlerbuchobjekt: LUNALU 2003

Liebesgesing

es ufert an fremden Gestaden
weil ich so uferlos bin
es dringt bis zu den Plejaden
es ist mein letztes Gesing
es ist mein letztes Geröchel
bevor die Sterne blinken
und ich bis zum letzten Knöchel
an deine Brust werd' sinken

Andreas Dress - aus dem Künstlerbuchobjekt:
Bildschriftrolle: SOMNAMBULE SURROGATE 2003

Lappalien

Marginale Vaginalien
somnambule Phallolalien
semitragische Realien
subversive Anomalien

in der Strömung leisem Strudeln

drehen sich verbale Nudeln

in des Flusses schnellem Lauf

taucht manch’ Desolates auf

paradoxe Klitoritis
fotogene Penisitis
interupte Coititis
systematische Irritis

Durch das Dunkel der Bewahrung

in das Licht der Auferklarung

über alle Dissonanzen

hin zu vorletzten Instanzen

praeantike Postulate
pubertäre Präparate
reversible Apparate
militärische Salate

Ohne auch nur zu verzagen

ließe sich noch vieles sagen

heute hier in dieser Welt

eh’ sie einem ganz vergällt

Kreiselreise

In der Spirale Kreis

kreist die Spirale nebulös und schnecklich

Kreiselkreis

spirale Nebel kreißen und gebären

aus lauter Lust am Dunst

und Klarheit schaffend

dann, wenn nach Äonen

jeder Geist verduftet ist

und kalter Raum

barmherzig seinen dunklen Mantel

über die Vergeblichkeiten deckt

des kleinen Etwas was da kreucht und fleucht

im steten Kreise sich verdrehend

und doch im Tod das neue Leben

schon im Munde

spiralig kreiselt es

elliptisch auch in ewiger Bewegung

und dann in der Begegnung

mit sich selbst erst

findet’s Ruhe

Andreas Dress – aus dem Künstlerbuch DRANGSEEL UND SEHLIGKEIT – (Jahresbuch 1995/96)

über den Formwillen...

dass ehedem kein – wie auch immer gestalteter – Lebensraum ohne Risiko als Formenkanon bestimmt wurde, liegt einerseits an der unglaublichen Bereitwilligkeit der Beteiligten zu der Negation des Formwillens – andererseits in der Betonung – ja begeisterten Befürwortung einer Ansammlung beliebiger Äußerungen, die alles andere sind als erstens: Wille, zweitens: Bewusstsein, drittens: Anspruch, viertens: Vermögen zur Gestaltung und fünftens: eine Übersicht über das schon Dagewesene – kurzum viele können wenig / wenn überhaupt – wenige viel.

über das Sehen...

was unverständlich bleibt nur dem, der Augen hat und dennoch blicklos irrt durch das Gestrüpp der eigenen Verwirrungen, der unverfroren friert, sich deshalb schlapp am fremden Feuer räkelt und unverhohlen in Flammen stiert, die nicht aus eignen Wunden schlagen.